Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe

Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe (NL-G) ist ein vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt. Dieses Vorhaben wurde 2018 im Rahmen des UNESCO-Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung als „ausgezeichnetes Netzwerk“ prämiert.

Was ist ein Nachhaltiger Lernort?

Zunächst ist ein Lernort ein Ort, an dem Lernprozesse stattfinden. Unter dem Begriff Lernort stellt man sich vielleicht zuerst einen Ausbildungsbetrieb, wie beispielweise ein Hotel, eine (Berufs-) Schule oder eine überbetriebliche Bildungsstätte, vor. Doch auch die darin enthaltenen Orte, zum Beispiel eine Küche, ein Klassenraum oder eine Lehrwerkstatt, sind Lernorte. Aus der Perspektive des lebensbegleitenden Lernens kann ein Lernort jede Möglichkeit sein, in der gelernt wird.1 Daher sind beispielsweise die Kochstelle in einer Küche oder der Schreibtisch im Klassenraum Lernorte. Nachhaltig wird dieser Lernort dadurch, dass die drei Bereiche der Nachhaltigkeit - Umwelt (Ökologie), Wirtschaft (Ökonomie) und Soziales - in den Lernprozessen berücksichtigt werden. Aus ökologischer Sicht fällt hierunter beispielsweise die Mülltrennung. Ein Beispiel für die ökonomische Nachhaltigkeit ist, dass Geld eingespart wird, indem das Licht beim Verlassen des Raumes ausgeschaltet wird. Der soziale Aspekt wird zum Beispiel dadurch berücksichtigt, dass bei der Reinigung auf gesundheitsgefährdende Mittel verzichtet wird.

Durch einen Nachhaltigen Lernort sollen sich die Lernenden aneignen, wie man verantwortungsbewusst im Sinne der Nachhaltigkeit denkt, handelt und dies schließlich im Berufsalltag umsetzt. Genauer gesagt sollen die Lernenden Hintergrundinformationen zum gesamten Lebenszyklus eines Produkts erlangen. In einem weiteren Schritt wird daraus abgeleitet, in welcher Hinsicht ein Produkt eine nachhaltige Entwicklung fördern kann. Um zu veranschaulichen, was damit gemeint ist, eignet sich das obige Beispiel der Einsparung durch das Ausschalten des Lichtes. Informiert man sich nun über die Hintergründe zu dem Leuchtmittel, erfährt man, dass es langlebigere und energiesparendere Alternativen gibt. Setzt man diese ein, ist das schon ein Handeln im Sinne der Nachhaltigkeit. Ein weiterer Schritt wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass man auf 100% Ökostrom umstellt.

Schaut man sich alle Bereiche des Betriebs an, wird man feststellen, dass jede Abteilung in einem Hotel die Möglichkeit bietet, ein Nachhaltiger Lernort zu sein. Eine wichtige Voraussetzung ist, dass bei den Lernenden das nötige Bewusstsein geschaffen wurde.

Warum gerade nachhaltige Entwicklung?

Erderwärmung, Plastik in den Meeren und die drohende Ressourcenknappheit durch Überbevölkerung stellen nur drei Beispiele dafür dar, dass ein globaler Wandel in Richtung Nachhaltigkeit stattfinden muss, um das Leben auf der Erde in Zukunft zu garantieren. Dies unterstreicht, dass eine nachhaltige Entwicklung gerade heutzutage eine zentrale Herausforderung ist, der sich Unternehmen stellen müssen. Besonders die Unternehmen können einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz, faire Arbeitsbedingungen und für die Stärkung einer Region leisten.

Was versteht man unter Bildung für nachhaltige Entwicklung?

Bildung für eine nachhaltige Entwicklung meint eine Bildung, die den Menschen ein zukunftsfähiges Denken und Handeln vermittelt. Hierbei geht es zunächst darum, das eigene Handeln zu hinterfragen. Die Menschen müssen begreifen, dass die Auswirkungen ihrer getroffenen Entscheidungen über ihr direktes Umfeld hinausgehen. Indem sie etwas entscheiden, können sie einen positiven oder negativen Einfluss auf zukünftige Generationen und Menschen, sogar in anderen Erdteilen, nehmen.

Im Zuge der Bildung für nachhaltige Entwicklung werden nachhaltige Alternativen aufgezeigt. Sie machen deutlich, dass jeder Einzelne, die Welt ein Stück verbessern kann. Nur wenn jeder ein Verantwortungsbewusstsein entwickelt, ist es möglich, eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen und globale Probleme anzugehen.
Speziell in Bezug auf die Globalität nimmt das Gastgewerbe eine besondere Position ein, denn kaum eine Branche ist in diesem Ausmaß von interkultureller Verständigung geprägt. Mit der Belegschaft und den Gästen treffen viele verschiedene Kulturen aufeinander. Dadurch entsteht ein guter Nährboden für die Nachhaltigkeit. Schließlich ist ein verständnisvoller Umgang miteinander Voraussetzung dafür, dass die Gäste und auch die Belegschaft zufrieden sind. 

Wieso ist es überhaupt wichtig, ein Nachhaltiger Lernort zu werden?

Die Nachhaltigkeit gewinnt im gesamten Tourismus und damit auch in der deutschen Hotellerie zunehmend an Bedeutung. Einerseits setzt der Tourismus eine intakte Umwelt als Attraktivitätssteigerung der Regionen und Städte voraus. Andererseits trägt er in Teilen zur Gefährdung der Umwelt bei. Der nachhaltige Tourismus zielt darauf ab, die negativen Spuren, die er hinterlassen kann, zu reduzieren.
Aus diesen Gründen kann die Entwicklung eines Nachhaltigen Lernorts in der Hotellerie als wichtiger Schritt zur Sicherstellung einer intakten Umwelt gesehen werden. Daher ist es wichtig, die Nachhaltigkeit zu steigern. Mithilfe der Schaffung eines Nachhaltigen Lernortes wird es möglich, ein Bewusstsein für Umwelt und gesellschaftliche Belange zu erzeugen und damit im Hotel und in der Region eine lebendige Kultur sowie eine intakte Natur zu erhalten. Neben der Einsparung von Energie und Kosten wird durch die gemeinsame Umsetzung der Nachhaltigkeit der Zusammenhalt im Unternehmen gestärkt. Hinzu kommt, dass gerade viele junge Menschen nicht nur im Privatleben, sondern auch im Beruf zunehmend Verantwortung für Mensch und Umwelt übernehmen wollen. Sie beziehen diesen Aspekt in ihre Entscheidung über ihren zukünftigen Ausbildungsbetrieb oder Arbeitsgeber mit ein. Deshalb kann die Ausrichtung des Betriebs zu einem Nachhaltigen Lernort nicht nur Gäste anlocken, sie kann zusätzlich auch Fachkräfte anwerben und stärker an das Unternehmen binden.1

Wie wird ein Hotel zu einem Nachhaltigen Lernort?

Die Grundlage für die Entstehung Nachhaltiger Lernorte stellt ein Wandel von einer konventionellen zu einer nachhaltigen Unternehmenskultur dar. Jedoch ist es dafür (vorerst) nicht notwendig, den Betrieb von Grund auf anders aufzubauen. Schon kleine Maßnahmen bewirken, dass der Betrieb nachhaltiger wird. Langfristig sind natürlich größere Veränderungen und Investitionen, wie beispielsweise nachhaltige technische Erneuerungen oder ein Umbau zur Steigerung der Energieeffizienz, wirkungsvoller. Um die Vorzüge der Einbindung der Nachhaltigkeit im Betrieb kennenzulernen und dies für Gäste, Mitarbeitende und Externe spürbar zu machen, stellen kleine Maßnahmen jedoch schon einen guten Einstieg dar.

Das Schaffen eines Nachhaltigen Lernorts gelingt am besten, wenn Arbeitsabläufe in den Abteilungen umstrukturiert werden. Die Abteilungsleiter übernehmen dabei zwei Aufgaben: Zum einen helfen sie den Mitarbeitenden dabei, die nachhaltigen Maßnahmen in den Arbeitsalltag zu integrieren. Zum anderen schauen sie, was dabei gut umsetzbar und was eher ungeeignet ist. Ein regelmäßiger Austausch innerhalb und zwischen den einzelnen Abteilungen ist hierbei wichtig, da sich alle Abteilungen aufeinander abstimmen müssen. Checklisten geben dabei einen Überblick über mögliche Maßnahmen und zeigen, inwiefern diese umgesetzt werden, auf welchem Stand die Umsetzung ist und wo noch Verbesserungspotentiale bestehen. Ziel ist es grundsätzlich, die Nachhaltigkeit fest in das Tagesgeschäft der einzelnen Abteilungen zu integrieren.  

Generell müssen drei verschiedene Bedürfnisebenen berücksichtigt werden: Die Bedürfnisse der handelnden Akteure im Betrieb, die Wünsche und Anliegen der Gäste und die unbestimmten Forderungen Dritter, die aufgrund ihrer Bedürfnisse aus der getätigten Handlung und ihrer Ergebnisse folgen.

Anhand von vier Handlungsebenen lässt sich der Prozess näher darstellen.1 Die Ebenen sind jedoch nicht strikt voneinander zu trennen, sondern können sich überschneiden.

  1. Die erste Ebene bildet der Gesamtbetrieb Hotel als Lernort. Auf dieser Ebene setzt man sich mit den betrieblichen Prozessen auseinander und wie man diese nachhaltiger gestalten kann. Wichtig ist hierbei, die Unternehmensführung bzw. das Management für die Idee eines Nachhaltigen Lernorts zu begeistern und sie somit als treibende und impulsgebende Kraft für sich zu gewinnen. Außerdem sollten andere wichtige Akteure im Unternehmen, wie zum Beispiel die Interessenvertretung der Mitarbeitende oder die Ausbildungsleitung, von dem Vorhaben überzeugt werden, um Veränderungsprozesse erfolgreich durchführen zu können.
  2. Ebene zwei beinhaltet das Analysieren der Arbeits- und Betriebsabläufe auf potenzielle Lernanlässe für Nachhaltigkeit. Dabei können bereits vorhandene Lehr- bzw. Lernumgebungen genutzt werden. Beispielsweise lässt man Auszubildende Betriebserkundungen unter Nachhaltigkeitsaspekten durchführen und beginnt mit ersten Veränderungsprojekten, um erste eigene Erfahrungen zu sammeln.
  3. In der dritten Ebene stellen sich die Fragen, wie man das Thema Nachhaltigkeit vermitteln und Handlungskompetenzen fördern kann. Hierbei spielt die Vermittlung und Aneignung von Wissen eine bedeutende Rolle. Nach Kaiser und Fuhrer (2000) wird zwischen vier Arten von Wissen unterschieden2: Das Umweltwissen, das bedeutet Wissen über ökologische Zusammenhänge. Dann gibt es noch das sogenannte soziale Wissen. Soziales Wissen bezeichnet das Wissen über die Absichten und Motive anderer. Die dritte Art ist das Handlungswissen und bezeichnet das Wissen über verschiedene Handlungsoptionen. Die letzte Art ist das Wissen über die Effektivität  und den Sinn einer Handlung und wird Wirksamkeitswissen genannt. Die Vermittlung dieser vier verschiedenen Typen von Wissen ist wichtig, um den Mitarbeitenden aufzuzeigen, warum es überhaupt relevant ist, nachhaltig zu handeln und welche positiven Auswirkungen dadurch erreicht werden. Ohne dieses Wissen würde kein Mitarbeitender verstehen, warum er zum Beispiel mehr Produkte aus regionalem biologischem Anbau verarbeiten soll. Aus diesem Grund soll das Berufsbildungspersonal zu Vorbildern qualifiziert werden. Weiterbildungsformate, wie Workshops oder Fortbildungen, können dazu anregen, das eigene Nachhaltigkeitshandeln zu reflektieren und Kompetenzen zur nachhaltigen branchenspezifischen Entwicklung zu fördern. 
  4. Die Ebene vier befasst sich mit den Lernenden. Lernende sind die Mitarbeitenden, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit umfassend auseinandersetzen sollen. Die Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit erfolgt, indem ausreichend Reflexions- und Handlungsräume geboten werden. Ein Beispiel ist die Umsetzung eines Nachhaltigkeits-Lunchs. Eine weitere Möglichkeit sind Gelegenheiten zur Beteiligung beispielsweise in Form von Innovationsteams, in denen die Mitarbeitenden ihre eigenen Ideen und Gedanken mit einbringen können. Dadurch nehmen sie aktiv am Veränderungsprozess teil.

Wie in den verschiedenen Abteilungen eines Hotelbetriebs Nachhaltige Lernorte erschaffen werden können, wird im Folgenden erläutert.
Zugleich werden verschiedene Arbeitsblätter als Download zur Verfügung gestellt:
Mithilfe einer Checkliste für die jeweilige Abteilung mit ihren Arbeits- und Betriebsabläufen werden nachhaltige Maßnahmen vorgestellt, die umgesetzt werden können. Gleichzeitig wird den Lehrenden und Lernenden Raum gelassen, eigene Ideen zu verwirklichen. Anhand des "Leitfadens zur Umsetzung einer nachhaltigen Maßnahme" können diese Ideen im Anschluss realisiert und reflektiert werden. Um das Ausfüllen des Leitfadens zu erleichtern, wurde der Leitfaden für jeden Bereich bereits einmal mit einem Umsetzungsbeispiel erprobt.

Bereich Direktion und Betriebsleitung

Die Direktion und Betriebsleitung stellt den maßgebenden Motor dar, der für die Gestaltung einer nachhaltigen Rahmenstruktur zuständig ist. Die Führungsposition besitzt eine Vorbildfunktion für alle Mitarbeitenden und sollte dementsprechend auch sein Verhalten anpassen. Um den Betrieb nun zu einem Nachhaltigen Lernort umzugestalten, hat die Hotelleitung die Aufgabe, sich über alle Vorgänge im Betrieb einen Überblick zu verschaffen. Anschließend bildet sie neue Gestaltungsspielräume im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Die Hotelleitung hat demnach die Verantwortung für den gesamten Lernort Hotel. Folglich befindet sie sich in der Position, grundlegende Dinge zu verändern, wie eine ökologische Bauweise der Gebäude, eine nachhaltige Gestaltung der Inneneinrichtung oder den Wechsel zu 100 % Ökostrom.

Bereich Einkauf

Die Abteilung Einkauf ist unter anderem für die Lieferantenwahl und die Bestellungen zuständig. Daher muss die Abteilung sich über die bisherigen Lieferanten informieren und prüfen, ob diese den Anforderungen der Nachhaltigkeit gerecht werden. Ökologische und soziale Aspekte spielen eine entscheidende Rolle. Im besten Fall sind die  Produzenten von Obst und Gemüse in der Region ansässig, betreiben biologischen Anbau und garantieren faire Arbeitsbedingungen. Hilfreich sind hierbei direkte Besichtigungen vor Ort und auf Nachhaltigkeitszertifizierungen, die von externen Dritten durchgeführt werden, zu achten. Auch auf die Verpackungen der Produkte muss geachtet werden, um unnötigen Verpackungsmüll zu vermeiden. Mit den Lieferanten können auch im Vorfeld Vereinbarungen getroffen werden, zum Beispiel dass diese wiederverwendbare Verpackungen, wie Kartons oder Kisten, zurücknehmen und weiter nutzen. Neben den Vorteilen in Bezug auf Nachhaltigkeit stärkt man mit der Auswahl regionaler Produzenten und Lieferanten so auch die Wirtschaft der eigenen Region.

Bereich Sales und Marketing

Die Mitarbeitenden aus dem Bereich Sales und Marketing haben die Aufgabe, das nachhaltige Leitbild nach außen zu kommunizieren und dies in den Fokus zu stellen. Damit wird erreicht, dass Außenstehende, wie Gäste oder potenzielle Mitarbeitende, auf das Hotel als Nachhaltigen Lernort aufmerksam werden. Beispielsweise sollte das Thema Nachhaltigkeit schon auf der  Startseite der Hotelwebsite sichtbar sein. Hilfreich sind hierbei vertrauenswürdige Zertifizierungen von unabhängigen Dritten. Sie helfen dabei, das nachhaltige Engagement des Betriebs bestätigen zu lassen. Zudem sollte das Angebot an regionalen Produkten schnell ersichtlich sein. Regionale Produkte sind bei vielen Gästen sehr beliebt und binden sie emotional. 

Bereich Küche und Restaurant

In der Abteilung Küche und Restaurant geht es unter anderem darum, die Speisekarte zu überarbeiten. Ein fleischbetontes Angebot sollte durch vegetarische und vegane Gerichte erweitert oder sogar ersetzt werden, da bei der Fleischproduktion besonders viel CO2 ausgestoßen und viel Wasser verbraucht wird. Der Fokus liegt hier auf regionalen und saisonalen Speisen. So ist es möglich, hauptsächlich regionale Produkte zu beziehen. Dadurch ist der ökologische Rucksack leichter, weil der CO2-Verbrauch niedrig gehalten wird. Aufschlüsse darüber, welches Obst und Gemüse Saison hat, bietet ein Saisonkalender.
Des Weiteren müssen die Mitarbeitenden in der Küche einen respektvollen Umgang mit den Lebensmitteln und ihre Wertschätzung lernen, damit Lebensmittelabfälle auf ein Minimum reduziert werden. Um einen richtigen Umgang zu lernen, ist es beispielsweise hilfreich, einige Gemüse- und Obstsorten sowie verschiedene Kräuter in einem hauseigenen Garten anzupflanzen. So entwickeln die Mitarbeitenden ein Gespür dafür, welche Arbeit hinter einem Lebensmittel steckt.
Damit auch die Gäste vom eigenen Anbau und den regionalen Produkten erfahren, hat das Servicepersonal im Restaurant die Aufgabe, die Gäste darüber zu informieren. Zusätzlich sollte das Personal darauf hinweisen, dass der Garten auch gerne besichtigt werden kann. Der Garten ist dementsprechend nicht nur ein Nachhaltiger Lernort für die Mitarbeitenden, sondern vermittelt auch noch Wissen an die Hotelgäste.
Auch das Serviceteam kann das Restaurant nachhaltiger gestalten, zum Beispiel im Hinblick auf die Dekoration. Statt importierter Blumen aus Afrika können sie mit der Abteilung Einkauf zusammen einen regionalen Blumenlieferanten auswählen.

Bereich Front Office/Rezeption

Die Mitarbeitenden an der Rezeption stehen täglich im Kontakt mit den Gästen. Sie haben die Aufgabe, die Gäste über ihren Hotelaufenthalt zu informieren und auftretende Fragen zu beantworten. Hotelgäste suchen bei Ankunft im Hotel als erstes die Rezeption auf, um in ihr Zimmer einzuchecken. Diesen ersten Kontakt mit dem Gast müssen die Mitarbeitenden nutzen, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Gäste mit ihrer Hotelwahl einen nachhaltigen Tourismus unterstützen. Um Missverständnissen vorzubeugen, sollten die Gäste vorab darauf hingewiesen werden, dass beispielsweise die Handtücher nicht jeden Tag gewechselt werden. Während des Aufenthalts wenden die Gäste sich mit Fragen an die Rezeption. Bei Ratschlägen zu Ausflügen können die Mitarbeitenden die Nachhaltigkeit einfließen lassen, beispielsweise indem sie Tipps für Ausflüge in der Region geben und auf Wander- und Radwege hinweisen.

Bereich Housekeeping

Das Housekeeping ist allgemein für das Hygienemanagement im gesamten Betrieb zuständig, zumeist mit Ausnahme der Küche. Die verschiedenen Reinigungsabläufe müssen vorab geplant und die Mitarbeitenden entsprechend organisiert werden. Hinzu kommt die Kontrolle der geleisteten Arbeit.  Eine entscheidende Drehschraube in Bezug auf die Nachhaltigkeit ist der sparsame Umgang mit den Ressourcen wie Strom, Wasser und Wärme, indem beispielsweise das Licht nach Beendigung der Zimmerreinigung ausgeschaltet wird. Beim Lüften der Zimmer sollte kurz stoßgelüftet werden. Wird das Fenster längere Zeit auf Kipp gestellt, kühlt der Raum zu sehr aus, wodurch mehr Energie benötigt wird, um den Raum wieder aufzuheizen. Außerdem sollte die Heizung immer ausgeschaltet sein, während die Fenster offen sind. Empfehlenswert ist des Weiteren, dem Housekeeping ein umweltschonendes Reinigungsmittel zur Verfügung zu stellen. Dadurch wird eine Belastung des Abwassers durch Chemikalien, wie es bei herkömmlichen Reinigungsmitteln der Fall ist, vermieden. Eine weitere Möglichkeit ist es, den Reinigungskräften eine Dosierhilfe, wie eine Dosierkappe, zur Verfügung zu stellen, um sparsam mit dem Reinigungsmittel umzugehen. Oftmals erzielen schon kleine Mengen ein sauberes Ergebnis.

Wie sieht das Ganze eigentlich in der Praxis aus?

Um dieser Frage nachzugehen, wird im Folgenden das Projekt des Waldhotels Felschbachhof vorgestellt, welches als Modellversuch im Rahmen des Projekts "Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe (NL-G)" umgesetzt wurde. Abschließend folgt ein Interview mit Marie-Thérèse Marx vom Waldhotel Felschbachhof.

Praxisbeispiel Felschbachhof

Im Rahmen des Projekts Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe (NL-G) entstand im Waldhotel Felschbachhof ein (nachhaltiger) Lernort, den die eigenen Mitarbeitenden, Auszubildenden und vor allem auch die Gäste nutzen.3

Gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Stomporowski und Benjamin Laux von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wurde der Modellversuch gestartet, im Nutzgarten des Felschbachhofs alte, in Vergessenheit geratene Gemüse- und Obstsorten anzupflanzen. So wird die Biodiversität (Artenvielfalt) gefördert und die Bedeutung der Arten- und Sortenvielfalt vermittelt. Mithilfe von Beschilderungen, Beschreibungen und Erklärungen an den angepflanzten Sorten erlernen die Gäste und Mitarbeitenden Wissenswertes und erfahren beispielweise etwas über die Einsatzmöglichkeiten in der Küche. Die selbsterzeugten Produkte werden dann auch im Restaurant eingesetzt. Damit die Gäste auf das Gemüse und Obst aus dem eigenen Nutzgarten aufmerksam werden, wird in der Speisekarte darauf hingewiesen. Außerdem sind die Gerichte mit selbsterzeugten Zutaten besonders gekennzeichnet.3

Während an dem Projekt zunächst die Gärtnerin, Experten und Vereine für den Erhalt alter Sorten beteiligt waren, wurden später auch die Auszubildenden eingebunden. Die Auszubildenden pflanzten alte Mangoldsorten an und dokumentierten das Projekt in ihren Berichtsheften. Durch den eigenen Nutzgarten lernen die Auszubildenden die Bedeutung regionaler Sorten und die ökologische Landwirtschaft fernab von Monokulturen und der Verwendung von Pestiziden, wie es in der konventionellen Landwirtschaft üblich ist, kennen.3

Frau Marx, warum haben Sie sich dazu entschieden, an dem Projekt „Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe“ teilzunehmen?

­Marie-Thérèse Marx: Alles fing damit an, dass sich die Uni Bonn nur Informationen bei uns abgeholt hat, da wir aktuell zu dieser Zeit gar keine Auszubildenden hatten. In diesen Gesprächen wurde dann schnell klar, dass auch unser Haus ein stetiger Lernort ist und wir als Projekt gut zusammenpassen. Unser Tun wurde dann wissenschaftlich begleitet.

 

Was macht für Sie einen Nachhaltigen Lernort aus? Wie unterscheidet er sich von einem konventionellen Lernort?

Marie-Thérèse Marx:  Bei einem konventionellen Lernort wird Wissen vermittelt. Je nach Auszubildenden kann dieses Wissen besser oder genauer abgerufen werden. Ein nachhaltiger Lernort befasst sich darüber hinaus auch mit all dem, was noch dazugehört oder welche Folgen bestimmte Abläufe haben. Wissen wird dann mehr verinnerlicht und transparenter.

 

Welche Rollen spielten die Auszubildenden bei der Umsetzung und wie kam Ihr Nachhaltiger Lernort bei den Auszubildenden an?

Marie-Thérèse Marx: Für unsere Auszubildenden ist es teilweise ein sehr großes und komplexes Thema. In unserem Betrieb sind schon viele Dinge der Nachhaltigkeit umgesetzt, in den momentanen Lehrplänen findet man hierzu aber keine Verbindung. Daher erfolgen Schulungen, Informationen und Förderung hierzu immer situtationsbedingt.

 

Welche Rolle spielt das Projekt „Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe“ allgemein in der Ausbildung?

Marie-Thérèse Marx: Bei uns wird das Projekt und die Umsetzung immer wieder thematisiert und ist ständig präsent.

 

Was wurde im Rahmen des Projekts umgesetzt und welche Rolle spielt Ihr Modellversuch in der Ausbildung?

Marie-Thérèse Marx: Seit 2018 werden bei uns unterschiedliche Nachhaltigkeitsmaßnahmen erprobt und weiterentwickelt. Wir haben uns dem Thema „Biodiversität“ gewidmet und in Absprache mit dem wissenschaftlichen Partner im hauseigenen Garten „vergessene“ und regionalspezifische Gemüse- und Obstsorten neu angepflanzt. Unser Ziel dabei ist es, unsere Artenvielfalt zu erhalten. für unsere Gäste bedeutet dies eine kulinarische Erweiterung des Speiseangebotes. Für unsere Mitarbeiter und Auszubildenden bietet das Projekt die Gelegenheit, ihre beruflichen Handlungskompetenzen zu erweitern. Gerade unsere Auszubildenden haben einen besonderen Platz im Rahmen des Modellversuchs, da man sich doch anders kümmert und versucht, noch besser zu erklären. Ebenfalls müssen wir in unserem kleinen Betrieb auch Zeit für das Projekt schaffen.  

 

Was hat bei Ihnen gut funktioniert?

Marie-Thérèse Marx: Die Kommunikation mit der Uni Bonn und mit Viabono hat gut funktioniert. Die Unterstützung der Uni war super und hat uns auch in anderen Bereichen bessere Erklärungshilfen für das große Thema Nachhaltigkeit in der Hotellerie gegeben.

 

Gab es bei Ihnen Probleme und wenn ja, wie haben Sie diese gelöst?

Marie-Thérèse Marx:  Eigentlich gab es keine wirklichen Probleme.

 

Wie war denn die Reaktion der Mitarbeitenden im Betrieb auf das Projekt und die Umsetzung?

Marie-Thérèse Marx:  Die Mitarbeitenden sind alle sehr interessiert. Manchmal sind sie etwas genervt, aber sie haben die Azubis auch motiviert.

 

Wie reagieren Gäste auf den Nachhaltigen Lernort und wie erfahren sie davon?

Marie-Thérèse Marx:  Die Gäste sind genauso wie unsere Mitarbeitenden sehr interessiert. Sie sind beeindruckt und fragen nach. Die Gäste erfahren von dem Nachhaltigen Lernort durch unsere Tagespost, persönliche Gespräche, besondere Hinweise in der Speisekarte, Hinweise im Projekt und durch Schilder auf der Terrasse und im Garten.

 

Haben Sie Tipps für jemanden, der einen Nachhaltigen Lernort in seinem Betrieb schaffen möchte?

Marie-Thérèse Marx:  Das wichtigste ist, dass man die Nachhaltigkeit lebt und verinnerlicht. Einfach nur aus Werbezwecken machen bringt nichts. Das ist unglaubwürdig.

 

Wie lautet Ihr Fazit zu dem Projekt „Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe“?

Marie-Thérèse Marx: Es war eine super Zeit mit tollen Leuten. Bei uns geht es weiter und wir würden uns freuen, wenn wir noch ein weiteres Projekt machen bzw. noch Zeit damit verbringen können. Denn man sollte ja sehen, wie unsere Bäume wachsen. Die wurden erst Ende 2018 gepflanzt und haben deshalb noch keine Früchte getragen. Man macht auch immer neue Erfahrungen mit dem Garten und den angepflanzten Obst- und Gemüsesorten, zum Beispiel was gut gewachsen ist, was einen hohen Ertrag bringt oder was besonders gut schmeckt.

 

Frau Marx, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!

Quellennachweise:

1: Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung im Bundesinstitut für Berufsbildung (2018): Nachhaltige Lernorte in der beruflichen Bildung - Ansatzpunkte und Gestaltungshinweise. URL: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/ab42_bibb_bbne_folder_nachhaltige_lernorte.pdf (letzter Abruf: 04.09.2019).

2: Kaiser, Florian G./ Fuhrer, Urs (2000): Wissen für ökologisches Handeln. In: Mandl, Heinz/Gerstenmaier, Jochen (Hrsg.): Die Kluft zwischen Wissen und Handeln. Empirische und theoretische Lösungsansätze. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: 52-71.

3: Stomporowski, Stephan/Laux, Benjamin (erscheint Oktober 2019): Nachhaltig handeln im Hotel- und Gastgewerbe – Maßnahmen erfolgreich einführen und umsetzen. UVK Verlagsgesellschaft mbH: Konstanz und München: 102-105.

Weitere Quellen:

Laux, Benjamin/Stomporowski, Stephan (2018): Strukturen und Einflüsse auf die Implementierung nachhaltiger Arbeits- und Geschäftsprozesse im Segment der Hotellerie – Ergebnisse aus dem Modellversuch 'Nachhaltige Lernorte im Gastgewerbe'. In: Laux, Benjamin/Stomporowski, Stephan (Hrsg.): Nachhaltigkeit in den Bereichen Tourismus, Hotelgewerbe und Ernährung. Baltmannsweiler: 21-46.

Stomporowski, Stephan/Laux, Benjamin (erscheint Oktober 2019): Nachhaltig handeln im Hotel- und Gastgewerbe. Maßnahmen erfolgreich einführen und umsetzen. UVK Verlagsgesellschaft mbH: Konstanz und München.

 

Ein Verbundprojekt gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung